Vorranggebiete Reptilien
Alle Reptilienarten der Schweiz sind bundesrechtlich geschützt. Das gilt grundsätzlich auch für ihre Lebensräume. Im Gegensatz zu den Amphibien, für die in der Schweiz das Inventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung (IANB) existiert, gibt es bis heute kein rechtsverbindliches Inventar, das die Reptilienlebensräume von nationaler Bedeutung bezeichnet. Im Jahr 1999 schlug die Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch) dem damaligen BUWAL (heute BAFU) deshalb einen Kriterienkatalog vor, mit dem die entsprechenden Lebensräume definiert und räumlich ausgeschieden werden könnten. Das BUWAL hat diese Kriterien inhaltlich gutgeheissen.
Im Jahr 2012 erarbeitete die karch vor allem für jene Kantone, die bis dahin noch nicht über Reptilieninventare verfügten und entsprechend auch keine digitalen, GIS-tauglichen Geodaten zur Lage und Ausdehnung der wichtigsten Reptilienlebensräume auf dem Kantonsgebiet hatten, die sogenannten kantonalen Reptilienvorranggebiete (KRVG). Die Auswahl und Abgrenzung dieser Gebiete erfolgte aufgrund der oben genannten Kriterien, den verfügbaren Punktdaten und der Interpretation von Karten- und Luftbildmaterial. Es fanden keine ergänzenden oder kalibrierenden Feldarbeiten statt.
Die KRVG wurden nicht für alle Kantone ausgeschieden. Sie sind nicht rechtsverbindlich, haben rein informativen Charakter und dienen den kantonalen Naturschutzfachstellen als Arbeitshilfe. Gewisse Kantone, für die 2012 Vorranggebiete ausgeschieden wurden, konnten inzwischen Reptilieninventare umsetzen und verfügen damit über aktuellere und umfassendere Datengrundlagen. Das gilt beispielsweise für die Kantone Schwyz, Glarus, Nidwalden und Obwalden.
Zwei Kategorien von Vorranggebieten
A. Vorranggebiete ohne Bedarf an Aufwertungs- und Pflegemassnahmen
Dabei handelt es sich vorab um montane und subalpine Lebensräume mit starken Reptilienbeständen, deren Ist-Zustand erhalten werden soll. Darüber hinaus fallen in diese Kategorie auch grossflächige Lebensräume im Flachland, die im Rahmen bestehender Inventare oder durch anderen gesetzlichen Schutz in den meisten Fällen bereits gesichert sind (Südufer des Neuenburgersees als Beispiel). Solche Lebensräume dienen als wichtige Stützpfeiler und Reservoirs beispielsweise für die beiden Vipernarten oder die Ringelnatterarten.
B. Vorranggebiete mit Bedarf an Aufwertungs- und Pflegemassnahmen
In diese Kategorie gehören in erster Linie Perimeter in tieferen Lagen und mit negativer Entwicklung hinsichtlich ihrer Qualität als Reptilienlebensräume. Diesen Tendenzen muss entgegengewirkt werden, um den Lebensraum langfristig zu erhalten und zu verbessern. Als mögliche Beispiele seien Auenwälder mit ungenügender Hochwasserdynamik, verbuschende und verwaldende Offenstandorte im Wald, ungünstige Waldränder, sowie stillgelegte Kiesgruben und Steinbrüche genannt.
Für Gebiete der Kategorie A gilt, dass aufgrund ihrer grossen Bedeutung als Reptilienlebensräume Veränderungen zuungunsten der Reptilien vermieden werden müssen. Das können erfahrungsgemäss land- und forstwirtschaftliche, aber auch militärische Erschliessungen sein, der Bau touristischer Infrastruktur, landwirtschaftliche Nutzungsänderungen sowie der Verbau gegen Naturgefahren. Ein Thema in solchen Lebensräumen sind neuerdings auch grossflächige Solaranlagen. Qualität und Ausdehnung von Gebieten der Kategorie A sollen erhalten, eine Fragmentierung verhindert werden. Sie bedürfen vorab einer gewissen Aufmerksamkeit der kantonalen Naturschutzbehörden und verursachen kaum Aufwände. Schutz- und Pflegemassnahmen können grundsätzlich landschaftsorientiert sein. Für die Reptilien sollten vorab Primärstandorte erhalten und Zerschneidungen verhindert werden.
Die Anzahl der Gebiete in Kategorie B wird entsprechend der räumlichen Ausdehnung und der Bedeutung des jeweiligen Kantons für die Reptilienfauna möglichst beschränkt (rund fünf bis zehn Perimeter pro Kanton). Hier wären effiziente und rasch greifende Massnahmen zur Aufwertung und zur Pflege geeigneter Lebensräume notwendig. Ein grober Massnahmenkatalog wird den Kantonen zur Verfügung gestellt. Für die Reptilien sind das oft waldwirtschaftliche Massnahmen (Aufwertung von Sonderstandorten im Wald, Aufwertung und Pflege von Waldrändern) oder Entbuschungsaktionen sowie das Anlegen und die Pflege von reptilienfreundlichen Kleinstrukturen an geeigneten Stellen.