Amphibienschutz in Entwässerungsanlagen
Das Entwässerungssystem stellt für Kleintiere und im Besonderen für die Amphibien vielerorts ein Problem dar. Tausende Amphibien fallen jährlich in Entwässerungsschächte und verenden in der Kanalisation, bei der Schachtreinigung oder in der Kläranlage. Es gibt verschiedene Massnahmen, wie der erforderliche Schutz der Amphibien bei der Siedlungsentwässerung, deren Unterhalt sowie in Regenbecken, Pumpwerken und Abwasseraufbereitungsanlagen verbessert werden kann.
Weshalb gelangen Amphibien in Abwasserschächte?
Geschlossene Entwässerungsanlagen wie Schächte und Ableitungsrohre haben für Amphibien eine starke Fallenwirkung.
Vor allem Entwässerungsschächte, die Roste mit breiten Schlitzen aufweisen, sind problematisch. Das feuchte Mikroklima des Schachtes wirkt dabei grundsätzlich anziehend auf die Amphibien. Zudem werden Amphibien, die bei Wanderungen innerhalb ihres Lebensraumes (Laichgewässer, Sommer- und Winterhabitat) Strassen queren, schon von niedrigen Randsteinen direkt zum Schacht geleitet.
Einmal im Schacht, gibt es für die Amphibien keine Möglichkeit mehr, ins Ökosystem zurückzugelangen. Sie werden bei der Schachtreinigung abgesaugt, enden im Kanalisationssystem oder gelangen bis in die Kläranlage. Weitere Gefahrenquellen sind Abscheideanlagen, Regenbecken, Pumpwerke und sonstige Sammelbecken. Teilweise wandern die Amphibien auch direkt in offene Becken - beispielsweise von Kläranlagen - ein.
Starke Tierverluste verursachen zudem unterirdische Ableitungen und Überläufe von Gewässern und Bächen sowie Teichabsaugungen.
Welche Massnahmen bieten Abhilfe?
Die Umsetzung des Amphibienschutzes bei Entwässerungsanlagen bedarf des Einsatzes aller beteiligten Parteien wie der Kantone und Gemeinden, des Tiefbaus, des Unterhalts und der Betreiber von Aufbereitungsanlagen. Das Engagement von Naturschutzvereinen und Privaten kann dabei entscheidende Impulse liefern.
Wo immer möglich ist eine naturnahe Regenwasserbewirtschaftung ohne Kleintierfallen vorzuziehen! Je nach Belastung des Wassers bieten sich folgende Möglichkeiten:
- Positiv für Amphibien: Entwässerung über die Strassenschulter in einen offenen Entwässerungsgraben oder ein amphibienfreundlich gestaltetes Regenauffangbecken
- Neutral oder positiv (Wasserrückhaltung in der Landschaft): Entwässerung durch Versickerung
- Neutral oder negativ (falls schadstoffbelastet): Ableitung in ein Oberflächengewässer
- Problematisch für Amphibien: Entwässerung durch unterirdische Ableitung
Mehr Informationen: Praxismerkblatt "Amphibienschonende Entwässerung"
Für Amphibien problematische Entwässerungsanlagen können durch folgende Massnahmen (teilweise) entschärft werden:
- Bauliche Massnahmen, die die Einleitung von Amphibien in Strassenschächte reduzieren (Abschrägung von Randsteinen, Abstand zwischen Randstein und Schacht, Schachtdeckel mit schmalen Schlitzen)
- Ausstiegshilfen, die Amphibien erlauben, Strassenschächte eigenständig zu verlassen
- Ausstiegshilfen in Regenbecken, Pumpwerken und Kläranlagen
- Berücksichtigung der Amphibien beim Unterhalt wie z.B. der Schachtreinigung und der Teichabsaugung
Detaillierte Informationen dazu finden Sie:
- in der Arbeitshilfe Amphibien in Entwässerungsanlagen und
- in der VSS Norm SN 640699 Anhang: Strassen und Entwässerungssysteme; Schutzmassnahmen für Amphibien
Bitte wenden Sie sich für weitere Informationen und Beratungen an die regionalen karch-Vertretungen.
Ausstiegshilfen und Amphibienleitern
Es stehen verschiedene Modelle von Ausstiegshilfen für Amphibien in Entwässerungsschächten zur Verfügung. Die nachfolgenden Informationen gelten für alle Modelle.
Vorabklärungen
Um die Amphibienleiter sinnvoll einzusetzen, sind im Voraus folgende Fragen zu klären:
- Gelangen die Amphibien über Zuleitungen in den Schacht oder über offene Rohre (ohne Tauchbogen) in benachbarte Schächte? Es ist zu prüfen, ob die Installation von Leitern in mehreren Schächten nötig ist. Allenfalls genügt eine Leiter im letzten Schacht der Nebenleitung, der mit der Hauptleitung verbunden ist.
- Grenzt der Schacht an einen senkrechten Randstein? Hohe Randsteine werden im Bereich des Schachtes auf einer Länge von mind. 3 Metern abgeschrägt, damit die Amphibien den Strassenbereich verlassen können
Verantwortlichkeit
Die Verantwortung zur Sicherung der Sammler mit Ausstiegshilfen liegt gemäss Verursacherprinzip beim Eigentümer der Anlage. Nach gesetzlicher Grundlage des Tier- und Artenschutzes sind Massnahmen zu treffen.
Zu beachten
- Falls nicht alle Schächte mit Ausstiegshilfen ausgerüstet werden können: Priorisierung von Schächten anhand der Anzahl darin gefundener Amphibien
- Auf Wasserniveau an Schachtwand anliegende Ausstiegshilfen werden besser gefunden als frei stehende
- Ausstieg durch Schachtdeckel von der Strasse weg montieren, damit Tiere nicht auf die Strasse geleitet werden
- Angrenzenden Randstein überwindbar gestalten (z.B. abschrägen)
- Ausstieg in die Richtung montieren, aus der weniger Material eingetragen wird (Verschmutzung), am Hang talseitig.
- Schachtunterhalts-Personal muss informiert und geschult werden
Übersicht der verschiedenen Ausstiegshilfen aus Strassenschächten
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Bild |
Massnahmentyp |
Kosten |
Vorteile |
Nachteile |
Zu beachten |
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Krallmatte/Geotextil Senkrecht hängendes 3D-Kunststoffgeflecht Bezug: |
Gering (10-20.-/Stück) |
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Wühlmaus-Gitter Senkrecht hängendes, feines Drahtgitter Bezug:
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Gering (10-20.-/Rolle) |
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Lochblechleiter Diagonal in Schacht gestellt, Länge verstellbar. Bezug: Material im Fachhandel |
Gering (Ca. 50 bis 120.-/Stück, teurer falls nach Mass) |
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Krallmatten-Metallleiter Auf Metallschiene montiertes Geotextil Bezug:
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Mittel (95 – 110.- / Laufmeter) |
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Beton-Ausstiegshilfe In konischen Schächten mit Lochblech-Element für Ausstieg Bezug:
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Mittel (25-30.- / Betonelement 50 cm 55-75.- / Lochblech) |
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Plastik-Spiralrohr Schachtwand befestigt, Austritt durch Schachtwand (gebohrt) oder Schachtdeckel Bezug:
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Mittel bis Hoch (Durch Deckel: ca. CHF 250 / Stk) (Gebohrt: ca. CHF 500 / Stk)
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Amphibiensiphon Einbau unter Schachtdeckel, einseitig raue Oberfläche für Ausstieg Bezug: |
Hoch (rund CHF 900 / Stück) |
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Literatur:
- 1 Morgenthaler, L., 2021, unpublished: Erfolgskontrolle: Ausstiegshilfen für Amphibien aus Entwässerungsschächten (Bachelorarbeit). ZHAW, Wädenswil.
- 2 Meister B., Bösch A., 2015: Amphibien im Abwasser – was nützen Ausstiegshilfen? Umwelt Aargau. Abteilung für Umwelt und Abteilung Landschaft und Gewässer, Kanton Aargau.
- 3 Angelone S., Schaub M., Gaus-Caprez S., 2015: Amphibien aus dem Entwässerungssystem retten. Zürcher Umweltpraxis und Raumentwicklung (ZUP), Nr. 81 Juli 2015.
Die beiden folgenden Modelle sind besonders gut erprobt
Amphibienleiter aus Lochblech
Anhand dieser Leiter aus Lochblech können in den Schacht gefallene Amphibien diesen wieder verlassen (© Simon Gaus-Caprez)
Beschrieb
Die Amphibienleiter ermöglicht Amphibien den Ausstieg aus Schächten aller Art. Sie besteht aus ineinander verschiebbaren Lochblechschienen. Passgenau wird die Leiter vor Ort verschraubt und anschliessend in den Schacht gestellt.
Bezug und Kosten
Die Lochblechschienen werden beim Metallbauer in Auftrag gegeben. Die Leiter kann auch bei Direktanbietern bestellt werden. Kosten: ca. 50-120 CHF/Stück (je nach Anzahl und Anbieter).
Montage
Die Amphibienleiter wird selber zusammengebaut oder durch ein beauftrages Unternehmen montiert. Die vorgefertigten Schienen werden nach Ausmessung der Schachttiefe vor Ort zusammengesetzt. Montage: ca. 15 Minut
Schachtreinigung
Das Personal der Schachtentleerung ist über die Ausstiegshilfen in Schächten zu informieren. Bei der Absaugung kann die Leiter nach Bedarf herausgenommen und abgespritzt werden. Danach wird sie an gleicher Stelle wieder hineingesetzt
Anleitung
Amphibienleiter aus Geotextil (auch "Krallmatte" genannt)
Eine am Schachtdeckel befestigte Geotextilmatte dient Amphibien als Ausstiegshilfe(© Susi Otthofer / Katharina Vogt)
Beschrieb
Die Ausstiegshilfe aus einer Geotextilmatte besteht aus einer zur zugeschnittenen Böschungsmatte, welche am oberen Ende mit Metallkabelbindern am Schachtdeckel befestigt und am unteren Ende mit einem Stein beschwert wird. In Amphibienschutzkreisen in der Schweiz wird die Geotextilmatte oft auch "Krallmatte" (oder manchmal auch "Terramatte") genannt.
Diese Ausstiegshilfe ist preiswert und kann selbst hergestellt werden. Ihre Lebzeit ist jedoch kurz, da sie je nach Lage rasch verschmutzen und mit der Zeit einreissen kann. Sie eignet sich deshalb gut für Schächte auf Privatarealen oder in Keller- und Lichtschächten, wo auch eine regelmässige Kontrolle möglich ist (siehe auch Amphibien in Keller- oder Lichtschacht gefunden).
Bezug und Kosten
Die Böschungsmatten können von Privatpersonen oder Werkhofmitarbeitenden selber zugeschnitten werden. Es werden keine besonderen Werkzeuge benötigt. Die Kosten sind abhängig von der bezogenen Materialmenge, sie belaufen sich auf 10 bis 20 Fr. pro Matte.
Montage
Die Ausstiegshilfe aus Geotextil kann selber (nach Absprache mit dem zuständigen Werkhof respektive Tiefbauamt), durch Mitarbeiter eines Werkhofes oder Tiefbauamtes, oder durch eine beauftragte Firma installiert werden. Das Geotextil wird vor Ort entsprechend der Schachtlänge zugeschnitten und installiert.
Schachtreinigung
Das Personal der Schachtentleerung ist über die Ausstiegshilfen in Schächten zu informieren. Für die Schachtreinigung wird die Ausstiegshilfe zusammen mit dem Schachtdeckel aus dem Schacht gehoben und nach Abschluss der Reinigung wieder eingesetzt. Bei dieser Gelegenheit kann der Zustand des Geotextils kontrolliert und gegebenenfalls repariert oder ersetzt werden.
Anleitung
Videos
Die Funktionalität der Geotextilmatte als Ausstiegshilfe für Amphibien wurde im Rahmen eines Versuchsaufbaus durch die kantonale Naturschutzfachstelle des Kantons Aargau getestet.
Die beiden folgenden Videos zeigen, wie ein Feuersalamander und eine Blindschleiche mit Leichtigkeit die Geotextilmatte hochklettern respektive hochschlängeln.
Ein Feuersalamander klettert an einer Geotextilmatte aus einem Strassenschacht (© Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Landschaft und Gewässer)
Eine Blindschleiche schlängelt sich in der dreidimensionalen Geotextilmatte aus einem Schacht (© Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Landschaft und Gewässer)