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Luchs erbeutet Biber

Luchs reisst Biber

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Erster dokumentierter Fall eines vom Luchs erbeuteten Bibers in der Schweiz

Das adulte Luchsmännchen JAGO hielt sich zwischen dem 21. und 22. April 2024 in einem Waldgebiet bei Schmitten im Kanton Freiburg auf. Seine Aufenthaltsorte wurden mithilfe eines GPS-Halsbands dokumentiert, das er ihm im Rahmen des Forschungsprojekts GDD der Koordinationsstelle für Raubtierökologie und Wildtiermanagement KORA trug. Da sich der Luchs über mehrere Tage wiederholt an einen bestimmten Ort begab, wurde dieser Standort von KORA-Mitarbeitenden systematisch auf Beutereste untersucht.

Am 29. April entdeckten sie dort eine Biberkelle (der abgeflachte Schwanz) sowie eine Hinterpfote eines Castor fiber (Eurasischer Biber). Es handelt sich um den ersten dokumentierten Fall in der Schweiz, bei dem ein Luchs (Lynx lynx) einen Biber erbeutet hat. Aufgrund der Kellenlänge (26,5 cm) wird das Alter des Bibers auf etwa zwei Jahre geschätzt. Vermutlich handelte es sich um ein Subadulttier, das sich entweder noch in seinem Familienverband aufhielt oder bereits auf Reviersuche war.

Biberschwanz

Den Biberschwanz hat der Luchs nicht gefressen. Aufgrund der Länge von 26,5 cm des  Schwanzes, handelt es sich um einen ausgewachsenen Biber, der zwei Jahre oder älter ist (© KORA)

Hinterpfote Biber, Luchsriss

Linker Hinterfuss des Bibers. Typisch für einen Luchsriss sind die sauber geputzten Knoche (© KORA).

Die Jagd auf adulte Biber ist für viele Prädatoren ungewöhnlich, da Biber durch ihre Größe, Stärke und besonders durch ihre kräftigen Schneidezähne eine wehrhafte Beute darstellen. Lediglich wenige große Beutegreifer – wie Braunbären (Ursus arctos), Pumas (Puma concolor) oder Wölfe (Canis lupus) – sind bekannt dafür, regelmäßig ausgewachsene Biber zu erlegen.

Belege für Prädation durch Luchse auf Biber sind weltweit selten. Eine Ausnahme stellt die Region Omsk in Westsibirien dar: Laut Glushkov et al. (2001, zitiert in Janiszewski et al., 2014) waren dort Luchse für bis zu 15 % der dokumentierten Bibertötungen verantwortlich.

Die Erfassung eines solchen Prädationsereignisses ist vor allem durch den Einsatz moderner Telemetrie möglich geworden. Ohne die Ortungsdaten des GPS-Halsbands wäre ein gezielter Nachweis kaum realisierbar. Dass solche Interaktionen in der Schweiz nun dokumentiert werden können, dürfte nicht zuletzt auf die veränderten Verbreitungsmuster beider Arten zurückzuführen sein: Während Luchse bislang vorwiegend in den Voralpen und Alpen verbreitet waren, konzentrierte sich das Biber-Vorkommen auf das Mittelland. Inzwischen kommt es zunehmend zu Überlappungen der Lebensräume.

Eine Biberfamilie zieht mit ihren drei Jungen um. Ist die Anwesenheit eines Luchsweibchens mit Jungen der Grund? (© Kurt Grossenbacher)

Ein Beispiel für ein Gebiet mit überlappendem Vorkommen beider Arten ist die Belpaue bei Bern. Dort konnten mehrfach Luchse mit Jungtieren auf den Wechseln (Pfadspuren) von Bibern dokumentiert werden (Beobachtungen von Kurt Grossenbacher). Im Juni 2024 konnte in diesem Gebiet zudem ein ungewöhnliches Verhalten festgestellt werden: Zwei Biberfamilien verlagerten mit ihren Jungtieren den Bau in ein anderes Gewässer – ohne erkennbaren Einfluss von Hochwasser oder anderen Störungen. Es wird vermutet, dass die wiederholte Präsenz eines Luchses in der Nähe des Baus das Umsiedlungsverhalten ausgelöst haben könnte.

 

Luchs überquert einen Biberdamm

Viele Tiere nutzen Biberdämme, um trockenen Fusses über Bäche zu wechseln. Während des Biber-Forschungsprojektes ist ein Luchs mehrmals beim Überqueren eines Biberdammes von einer Fotofalle geblitzt worden (© Silvan Minnig Umweltbildner.ch)